Muskeln arbeiten nicht einzeln sondern in funktionalen Einheiten. Es handelt sich dabei um hintereinandergeschaltete Muskeln und Sehnen, die über fasziales Gewebe miteinander verbunden sind. Die Fasern allen Fasziengewebes, das diese Muskeln umgibt, verlaufen in dieselbe Richtung. Diese Einheiten nennt man Faszienzugbahnen, Faszienketten oder kinetic lines. Zwei von ihnen sind als Strecker- und Beugerkette auch landläufig bekannt. Erstere bildet die Oberlinie des Pferdes, den langen Rücken- und Nackenmuskel, die oberflächliche Kruppenmuskulatur und die Hinterhandstrecker. Zweitere Hinterhandbeuger, Bauch und Unterhals. Die beiden sind Gegenspieler, d.h. für eine gesunde Körperhaltung müssen sie in einem Gleichgewicht zueinander stehen. Es sind noch sieben weitere Faszienketten bei Mensch und Vierbeiner bekannt, zum Beispiel die Vorhandprotraktor- und die Vorhandretraktorkette, hier im Bild. Jeder Zug, der an einer beliebigen Stelle einer Kette wirkt, lässt den Rest der Kette nicht unbeeinflusst. Und auch ihre Gegen- und Mitspieler nicht. Mit Kenntnis der Faszienketten, eröffnet sich ein neuer Horizont der Exterieurbeurteilung. Dabei ist interessant, wie der Spannungszustand der verschiedenen Ketten zur anatomischen Veranlagung und damit zum Skelett passen. In welchem Verhältnis stehen die Ketten zueinander? Wo sind sie verkürzt und stabil, wo sehr gedehnt und schlaff und warum ist das so? Die Faszienketten erzählen uns eine Menge über die Vorgeschichte eines Pferdes und geben uns Anhaltspunkte an denen wir uns beim Training orientieren können. Jegliche Krafttentwicklung erfolgt entlang dieser Bahnen. Dabei ist ganz entscheidend, an welchem Ende der Kette sich der Fixpunkt befindet! Bei den Ketten, die an einem Huf enden, kann die Kraft nur vom Boden weg wirken, wenn der entsprechende Huf durch ausreichende Lastaufnahme am Boden fixiert wird. Geschieht das nicht, rollt der Huf nur passiv ab, die Kette arbeitet nicht in die vorgesehene Richtung. Dies kann rechts und links sehr unterschiedlich sein und dann zu einem steilen und einem flachen Hufwachstum führen. Diese Situation kann man nicht "ein bisschen" verbessern, es gibt hier nur ein "entweder oder". D.h. die Kraft wirkt in die richtige Richtung oder eben nicht. Tut sie es, kann man sie natürlich durch Training weiter steigern, über diesen Kippunkt muss man jedoch erst einmal hinweg. Es gilt also zunächst an der Koordination des Pferdes zu arbeiten, um überhaupt ein natürliches Bewegungsmuster wiederherzustellen, das dann im nächsten Schritt weiter stabilisiert werden kann.