Nach den erstaunlichen Erkenntnissen der letzten Jahre über die Funktion der Faszien, spricht man heute eigentlich nicht mehr von " Biomechanik", sondern von "Biotensegrity", zu deutsch "Biotensegrität". Wie dieses Modell aus Holzstäbchen und Gummibändern besteht der Körper eines Wirbeltieres aus festen und elastischen Bestandteilen. Aus dem Skelett einerseits und der Gesamtheit aus Muskeln, Sehnen, Bändern und Bindegewebe andererseits. Wie man sieht, spielen die elastischen Bestandteile eine weitaus größere Rolle als nur Verbindungselemente für ein Gerüst. Sie spannen die festen Bestandteile auf, die nun Raum einnehmen, ein größeres Volumen einnehmen als die Summe ihrer Teile, ohne direkt miteinander verbunden zu sein. Die Knochen werden durch das Fasziennetz also nicht zusammen, sondern auseinandergehalten! Und das zeichnet eine gesunde Körperhaltung und verschleißarme Bewegungen aus: eine ideale, gleichmäßige Spannkraft, die Abrieb an den Gelenkflächen verhindert, sowie federnde, energieeffiziente Bewegungen ermöglicht. Im Gegensatz zum Modell hat ein Lebewesen noch kontraktile Elemente, die Muskeln, die Länge und Straffheit der elastischen Anteile einstellen können. Sie werden gesteuert vom Nervensystem, das wiederum Informationen aus dem ganzen Körper empfängt und verarbeitet. So wird tensegrale Bewegung möglich. Dazu gehören eine optimierte Koordination, Reaktionsfähigkeit , Kontraktionskraft und Dehnbarkeit, denn Spannung und Entspannung müssen während des Bewegungsablauf jeweils im richtigen Moment stattfinden. All dies kann ein Körper lernen. Auch angeborene Bewegungsabläufe müssen im Laufe des Lebens trainiert und optimiert werden, allein schon im Rahmen des Wachstums. Natürlich können auch ungewöhnliche Bewegungsmuster gelernt und Hemmungen angeeignet werden, zum Schutz vor Verletzung oder Sturz, Gleichgewichtsverlust oder wenn bestimmte Bewegungen mit Schmerzen bestraft wurden. Sie sichern kurzfristig das Überleben des Organismus, doch wenn sie bleiben, beeinträchtigen sie langfristig seine Funktion, denn das Fasziensystem ist eine zusammenhängende Einheit. Bleibt die Bewegung irgendwo stecken, wirkt sich das immer aufs ganze System aus. Ein zu lockerer Bereich verhindert Kraftübertragung. Eine lokal zu hohe Faszienspannung schränkt den Bewegungsspielraum ein. Beides kann Stöße nicht optimal abfangen. Der Schlüssel zu einem gesunden Bewegungsapparat ist, überall das richtige Maß an Stabilität und Elastizität zu haben. Dabei ist natürlich der Pferdetyp zu berücksichtigen. Ein Rennpferd hat generell eine viel straffere Faszienspannung als ein Kaltblut. Letzteres ist für ein viel größeres Muskelvolumen gemacht. Fehlt dieses mangels Training kann das Tier im wahrsten Sinne des Wortes zu schlapp für sein eigenes Gewicht sein. Beim sehnigen Vollbluttyp ist ein übermäßiges Bodybuilding gar nicht angebracht - er ist von der Natur dafür vorgesehen sich mittels energiesparendem Katapulteffekt fortzubewegen. Die Faszien bilden neben Sehnen, Bändern, Gelenkkapseln auch die Umhüllungen der Muskeln und ihrer gebündelten Untereinheiten. Sie bestehen aus Kollagen und Elastin und passen sich langfristig an die Belastung, der sie ausgesetzt sind, an. Ihre Anpassung dauert länger als die der Muskelzellen, Faszientraining ist also langfristiger als Muskeltraining.