Grün = Gras? Was frisst mein Pferd da eigentlich?

Hier stelle ich einen Artikel ein, den ich vor Jahren verfasst habe, weil ich zu dem Thema immer wieder Nachfragen bekomme:

 

Pferdebesitzer machen sich viele Gedanken über die Ernährung ihres Tieres. Aus der reichhaltigen Auswahl an Müslimischungen und Futterzusätzen, die es auf dem Markt gibt, versucht jeder das passendste für sein Pferd auszusuchen, und achtet dabei natürlich auch auf Qualität, Inhaltsstoffe und Preis-Leistungs-Verhältnis.

Doch die wenigsten machen sich Gedanken darüber, was im Gras bzw im Heu enthalten ist, obwohl dies doch einen viel viel wesentlicheren Teil der Pferdeernährung ausmacht. Und hierbei geht es nicht nur um die Qualitätsprüfung des Heus, das nicht staubig und schimmelig sein sollte, was zumindest den meisten noch geläufig ist. Es geht um PflanzenARTEN.

Dieser Artikel soll Pferdebesitzern helfen zu lernen, eine Auswahl an vorkommenden Wiesengräsern und –kräutern bestimmen zu können, so dass sie in der Lage sind, Heu und Weide nach deren Artenvielfalt zu beurteilen. Besonders wichtig ist dies im Bezug auf stark genutzte Weiden. Mähwiesen erhalten sich meist eine gewisse Artenvielfalt, da sie nicht überstrapaziert werden durch Pferdehufe und-zähne.

Leider zeigen die meisten Pferdeweiden heutzutage folgendes Bild: das Gras kurzgenagt bis auf wenige Zentimeter, außer an den Geilstellen. Die kurzgefressenen Stellen beherbergen genau drei Arten : Wiesenrispe, Deutsches Weidelgras und massenhaft Weißklee. Diese gehören zu den wenigen Arten, die viel Verbiss und Vertritt vertragen, alles andere wird verdrängt. Dies liegt wiederum daran, dass das Platzangebot für Pferde meist begrenzt ist, zudem haben die meisten Pferdebesitzer auch gar kein Interesse daran, ihr Pferd in die endlose Weite oder in hohes Gras zu stellen. Kurz, die Weiden sind übernutzt.

Nun, was hat es mit diesen drei Pflanzenarten auf sich? Sie sind sehr widerstandsfähig und enthalten viele verwertbare Kohlenhydrate, wenig Rohfaser und im Fall des Klees besonders viel Eiweiß. Dies macht sie sehr beliebt bei Rinderzüchtern, dessen Tiere massenhaft Fleisch und Milch produzieren müssen und damit auch bei Saatgutherstellern. Sie sind auch beliebt bei Warmblutzüchtern, deren Pferde aufgrund von Wachstum und Laktation einen hohen Eiweißbedarf haben, oder den Haltern von Sportpferden, die täglich zwei bis drei Stunden auf die Weide gehen - eine Haltungsform, die in Deutschland wesentlich länger Tradition hat, als die hobbymäßige Haltung von Robustrassen, die, den ganzen Tag draußen sein sollen und eher wenig geritten werden.

Im Gegensatz dazu steht der Fakt dass, wie wir ja alle wissen, das Pferd seiner Natur gemäß über den ganzen Tag verteilt, ein karges, rohfaserreiches Futter aufnehmen soll, und nicht zu dick werden soll, um gesund zu bleiben. Bei zu wenig Bewegung und zu kohlenhydratreicher Nahrung drohen Hufrehe und Muskelerkrankungen, zuviel Eiweiß verursacht Stoffwechselprobleme und verschlimmert z.B. das Sommerekzem.

Darüber hinaus ernährt sich das Wildpferd in freier Natur auch nicht nur von drei Pflanzenarten, sondern sucht sich aus einer natürlichen Artenvielfalt aus, was für es geeignet ist und was es gerade benötigt, um seinen Bedarf an Spurenelementen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen, Aminosäuren usw. zu decken. Dazu gehören neben Gräsern Kräuter, Blätter von Bäumen, Schilf, Wurzeln, Samen und auch Mineralien aus der Erde.

Demnach wären Arten, die auf einer heutigen Pferdeweide begrüßenswert wären, zum einen Pflanzen, die das Pferd gar nicht so gerne mag, wie etwa das wollige Honiggras oder der bitter schmeckende Glatthafer. Die Pferde würden mehr Zeit mit selektieren verbringen und langsamer fressen. Zum anderen wären das wohlschmeckende, rohfaserreiche Gräser wie z.B. Knaulgras und Wiesenlieschgras. Außerdem mineralstoffreiche Kräuter wie Spitzwegerich, stoffwechselanregende wie Löwenzahn und vieles mehr.

Eine artenreiche Weide bietet dem Pferd die Möglichkeit zu selektieren und nicht zu viel von einer ungesunden Pflanzenart aufzunehmen, wozu es sein Hunger aber zwingt, wenn es die Wahl nicht hat. So ist auf den natürlichen Instinkt dann kein Verlass mehr, selbst wenn hochgiftige Pflanzen , wie das Jakobskreuzkraut auf der Weide auftauchen. (Zu der Giftigkeit von gewöhnlichen Weidegräsern lesen sie hier weiter.)

Würde man allerdings nur pferdefreundliche Gräser und Kräuter auf seiner Weide aussähen, und die Besatz dichte mit Pferden weiterhin wie üblich weit über zwei Tieren pro Hektar ansetzten, und diese den ganzen Sommer über oder gar das ganze Jahr den ganzen Tag darauf weiden lassen, hätte man innerhalb kurzer Zeit ein Problem. Entweder würden sich Weidelgras, Wiesenrispe und Weißklee von benachbarten Weiden ansiedeln und alles andere verdrängen, wodurch sich oben beschriebener Zustand doch wieder einstellen würde. Oder aber man hat gegen Mitte bis Ende des Sommers keine grüne Wiese mehr sondern eine gelbe , verdörrte Steppe. Letzteres würde vielen hufrehegeplagten Ponybesitzern sicherlich noch nichtmal was ausmachen. Wohl aber den Landwirten und jenen Behörden, die dafür Sorge tragen, das Grünland auch Grünland im wahrsten Sinne des Wortes bleibt. Dass die Weidelgras- bzw. Klee-Monokultur ökologisch genausowenig Sinn macht wie von Pferden Kaputtgetrampeltes artenreiches Land, scheint hier leider nicht zu interessieren. Darüber hinaus sind ja auch nicht alle Pferde zu dick, und zu Recht wünschen sich viele Pferdebesitzer grüne Weiden, auch um nicht während der Weidesaison Heu zufüttern zu müssen.

Das Problem mit der Artenarmut wird noch dadurch verschlimmert, dass Pferde, die scheinbar nicht viel Gras vertragen, trotz vorhandenenem Platzangebot gezielt auf extrem kurzgenagte Weiden gestellt werden. Diese Tiere fressen nun genau die für sie ungünstigen Arten und hiervon auch noch die fruktanreichsten, rohfaserärmsten Pflanzenteile, nämlich Blattbasis und Halm. Zudem handelt es sich hier durch die Überbeweidung um „gestresstes“ Gras, das vermehrt Fruktane und Endophytengifte bildet. Ein Teufelskreis, der aus Unwissenheit entsteht.

Bis sich solch eine übernutzte Weide erholt und sich andere Arten wieder in ausreichendem Maße angesiedelt haben, dauert es mindestens zwei Jahre der Ruhe, Abwesenheit von Pferden und von Dünger. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, einem Teil seiner Flächen einmal zwei Jahre Schonfrist einzuräumen. Schon bald kann man beobachten, wie sich der Bewuchs ändert. Hat man einmal angefangen, sich mit Gräserarten zu beschäftigen, wird man über jede neu entdeckte Art auf seiner Weide begeistert sein. Und natürlich über die Gewissheit, sein Pferd bald nicht mehr so furchtbar einseitig ernähren zu müssen.

Maßnahmen zum Erhalt artenreicher Weiden:

  • Extensive Weidewirtschaft. Verfügt man über genug Land, d.h. etwa ½ ha pro Pferd, ist das sowieso kein Problem. Ist der Platz knapp, muss die Weidezeit pro Tag begrenzt werden. Auslauf bekommen die Pferde im Idealfall auf einem unbewachsenen Paddock, wo ihnen Heu in Raufen oder Netzen zur Verfügung steht. Wenn kein Paddock vorhanden ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als einen Teil seiner Weide zu übernutzen, was sicherlich immer noch besser ist, als die Tiere einzusperren. Dabei ist aber extrem wichtig, dass man hier Heu zufüttert, damit die Pferde nicht gezwungen sind, allzuviel von dem kurzen Gras aufzunehmen. Es ist interessant zu beobachten, wie die Pferde, hat das Gras eine gewisse Länge unterschritten, Heu bevorzugen. Bekommen sie dieses nicht, fressen sie aus Hunger was nicht gut für sie ist.

  • Bei Neuansaat keine Rinder-Grasmischungen verwenden, sondern z.B. fruktanarme Pferdeweiden-mischungen oder noch besser, sich die Mischung selbst zusammenstellen und dabei auf Weidelgras, Wiesenschwingel und Klee verzichten. Diese erscheinen schneller, als einem lieb ist.

  • Bei Nachsaaten kein Deutsches Weidelgras verwenden, sondern mit Arten ausgleichen, die auf Pferdeweiden leichter verdrängt werden.

  • Alle paar Jahre ein Schonjahr für jede Weide einlegen. Dies bringt wesentlich mehr als die wechselweise Schonung für einige Wochen. Klee lässt sich nur verdrängen, wenn die Gräser um ihn herum hoch genug werden, so dass er nicht mehr genug Licht bekommt.

  • Nutzung im Wechsel mit Heugewinnung oder Beweidung durch Rinder

  • Pferde erst ab Mitte der Blüte auf die Weide lassen (Anfang Juni), dies zumindest mit einem Teil der Weiden, im jährlichen Wechsel, so handhaben. Das Absamen ist für viele Arten extrem wichtig und man spart sich so auch die kostspielige Nachsaat.

Oft hört man das Argument, dass man die Weiden nicht zu hoch wachsen lassen soll, weil das Gras dann umkippt und dann nicht mehr gefressen wird und sogar fault. Dies stimmt nur für unnatürliche Weiden, die z.B. nur aus Deutschem Weidelgras bestehen. Eine natürliche Wiese besteht aus Ober –und Untergräsern, also wie ein Wald aus mehreren Stockwerken. Untergräser wachsen niedrig und vermehren sich teilweise durch Ausläuferbildung. Sie sind eher weich und saftig, während die Obergräser einen höheren Wuchs haben und früher und stärker verholzen. So bilden letzere eine stabile Struktur, die auch den umstehenden Bewuchs am Kippen hindert. Die Obergräser, zu denen z.B. das Wiesen-Lieschgras, Knaulgras und Glatthafer gehören vertragen die starke Beweidung durch Pferde leider nicht so gut wie Weidelgras, Wiesenrispe und Rotschwingel , die zu den Untergräsern gehören. Obergräser findet man deshalb oft nur auf Mähwiesen. Dass sie den Pferden dann zumindest in Form von Heu zugute kommen ist nur ein schwacher Trost, deshalb sollte man versuchen, sie auch auf der Pferdeweide zu erhalten, durch nicht zu starke Beweidung und gezielte Nachsaat.

Für Pferde geeignete Gräser, die für Neuansaat und /oder Nachsaat empfehlenswert sind, sind z.B.:

Als Untergräser: rotes und weißes Straußgras, Ausläuferrotschwingel, in Maßen ggf auch Wiesenrispe

Als Obergräser : Knaulgras, Wiesenlieschgras, Wiesenfuchsschwanz

Erwünschte Wildgräser, die sich bei Schonung von selbst ansiedeln sind u.a.: wolliges Honiggras, weiche Trespe, aufrechte Trespe, Glatthafer

Erwünschte Kräuter auf der Pferdeweide: Kümmel, Gemeiner Fenchel, Gemeine Pastinake, Wegwarte, Spitzwegerich, Gemeine Schafgarbe, Wiesenkerbel, Bibernelle, Wilde Möhre, Klettenlabkraut, Kamille, Vogel-Wicke, Vogelmiere u.v.m.

 

Für Pferde in großen Mengen ungeeignete Pflanzen, die sich von alleine mehr als genug ausbreiten:

Deutsches Weidelgras, Wiesenschwingel, Rohrschwingel, Wiesenrispe, Rotklee und Weißklee

 

Für für Pferde giftige Pflanzen, wie das Jakobskreuzkraut, die Herbstzeitlose oder Fingerhut, verweise ich auf die zahlreich vorhandenen Giftpflanzendatenbanken.

 

 

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