Aktiv aufstehen müssen, zu hoch aufstehen, immer das Gefühl haben, zu spät wieder in den Sattel zu plumpsen, keinen sauberen Rhytmus finden, vom Pferd nicht mitgenommen werden....Grund dafür könnte eine Taktverschiebung des Trabes sein. Es wird viel über die Fehler des Reiters beim Leichttraben gesprochen. Doch der Fehler kann auch beim Pferd liegen.
Schauen wir uns zunächst die ungestörte, natürliche Trabbewegung an: ein diagonales Beinpaar stemmt den Körper nach vorne. Kurz nachdem diese beiden Beine das jeweils kontralaterale Bein bzw die Senkrechte passiert haben, wird der Körper nach oben katapultiert. An dieser Aufwärtsbewegung sind beide, Vorder- und Hinterbein beteiligt. Es folgt die Schwebephase, in der alle vier Beine in der Luft sind und in der die andere Diagonale Zeit hat, noch weiter vorzuschwingen, bevor sie zur Landung kommt.
Dieses Aufwärtsbouncen wirft den Reiter beim Leichttraben aus dem Sattel, im Verlauf der Schwebe- oder Flugphase, hat er Zeit, sich wieder kontrolliert und sanft in den Sattel zu setzen, was dann synchron mit dem Auffußen des selben diagonalen Beinpaars geschieht.
Manche Pferde zeigen einen davon abweichenden Trab. Die Schwebephase wird nur hinten erzeugt. Schaut man nur auf die Vorderbeine, ist kein wirkliches Traben, sondern nur ein schnelles Gehen zu sehen. Das heißt, es ist immer ein Vorderbein am Boden. Die Hinterbeine hüpfen jedoch. Zwangsläufig muss das Pferd vorne längere Schritte machen, um die fehlende Schwebephase auszugleichen. Auf Momentaufnahmen sieht man, dass das Vorderbein noch am Boden ist, wenn das diagonale Hinterbein schon abfußt. Es ist aber nicht so, dass das Vorderbein auch vor seinem diagonalen Hinterbeinpartner auffußt. Vielmehr landen die Hinterhufe zu früh, das Bein muss sich ausstecken, damit der Huf den Boden berührt. Andernfalls würden die Hinterbeine die Vorderbeine überholen. Das ist nur etwas für Trabrennpferde. Oder sie würden sich selbst reintreten. Eine andere Strategie, die ein Reintreten in die Vorderballen verhindert, ist das Flachstellen des Beckens und ein Nach-hinten-rausschaufeln der Hinterhand. Oder ein breitbeiniger Gang hinten. Die Vorderhufe bleiben oft insgesamt näher am Boden als die Hinterhufe.
Was passiert also beim Leichttraben in diesem Fall? Der Reiter wird nur von der Hinterhand hochgeworfen. Entweder so gering, dass er sich genötigt fühlt, selbst aktiv aufzustehen, wobei man immer zu langsam und zwangsläufig hinter der Bewegung zurückbleibt. Oder man wird zwar hochgeworfen, doch fehlt die Schwebephase, in der man Zeit hätte, sich wieder nach unten zu setzen. Die Bewegung wird jäh abgebremst durch das verfrühte Auffußen des Vorderbeins und des ausgestreckten Hinterbeins, dass zudem noch unfähig ist, im Sprunggelenk durchzufedern. Manchmal bewirkt dieser Abbremseffekt, den Eindruck, dass der in der Luft befindliche Reiter das Pferd fast überholt, für einen Moment über dem Widerrist steht. Ich glaube, einige Leser wisse , was ich meine.
Ursachen für diese Gangstörung können nicht nur mangelnde Kraft, sondern auch Schmerzen im Bereich der Vorderbeine, der Halswirbelsäule oder des Rückens sein. Dinge, die Anlass sein können, Erschütterungen zu vermeiden. Tritt diese Art zu traben nur unter dem Reiter auf, kann man darauf schließen, dass der Reiter entweder zu schwer ist, das Pferd erheblich stört, z.B. durch sein eigenes Wirbelsäulenproblem, oder der Sattel unangenehm ist. Im besten Fall wurde nur zu weit vorne gesattelt, so dass der Sattel auf den Schulterblattknorpeln aufliegt. Ein wichtiger Störfaktor ist eine rückwärts wirkende Reiterhand oder unsachgemäßer Gebrauch scharfer Gebisse. Diese Faktoren sollte man also als erstes überprüfen, wenn man ein unrundes Gefühl beim Leichttraben verspürt oder auch von Außenstehenden oder einem Video die Rückmeldung bekommt, dass man zu weit aufsteht und irgendwie nicht richtig im Takt ist. Das Pferd ohne Reiter traben lassen, mit und ohne Sattel, mit Reiter, mit freier, höherer Kopf-Hals-Haltung.
Im Gelände traben bergauf und bergab, im forschen Vorwärts mit einem motivierten Pferd. Bleibt die Taktverschiebung erhalten, rate ich, das Pferd auf mögliche Schmerzzustände untersuchen zu lassen. Es gibt auch Pferde die unter dem Reiter oder sogar ohne Gewicht weder vorne noch hinten bouncen. Man sieht so etwas auf den Reitplätzen immer wieder, besonders unter Robustpferderassen. Offenbar scheint dies noch nicht als Kriterium dafür zu gelten, dass ein Pferd mit dem Trab unter dem Reiter noch überfordert ist.
Hat man alle ausschließbaren und abstellbaren Ursachen ausgeschlossen und abgestellt, empfehle ich,
zunächst mal nicht so weiter leichtzutraben, das Problem löst sich eher selten mit zunehmender Kilometerzahl von selbst. Biomechanisch sinnvoll ist es, die Trabtritte so sehr zu verkürzen, dass dem Pferd ein, wenn auch nur ansatzweises, Federn in der Vorhand möglich wird. Dabei Aussitzen und die Trabreprisen so kurz halten, wie das Federn aufrechterhalten werden kann. Viele Variationen von leichter Biegung, Schultervor und Seitengängen in wechselnde Richtungen erleichtern das deutlich, geradeaus zu traben ist in diesem Stadium viel zu schwer.
In diesem Zusammenhang sollte man sich auch von der Vorstellung freimachen, das Leichttraben entlaste das Pferd bzw. seinen Rücken, wie es ja im Reitunterricht immer wieder erzählt wird. Man wird dadurch, dass man in den Bügeln steht nicht leichter, das Gewicht lastet dann in der Steigbügelaufhängung und damit am Kopfeisen. Und selbst wenn man derart hochgeworfen wird, dass man für einen Moment in der Luft schwebt, so folgt diesem Flug ja auch immer eine Landung, die man nicht unbedingt als Entlastung bezeichnen kann. Das Leichttraben entlastet vor allem den Rücken des Reiters, der so um das sehr bewegungsintensive Mitschwingen in der Wirbelsäule herum kommt. Schwingt das Pferd also sowieso schon nicht, weil es, aus welchen Gründen auch immer ein Federn vermeidet, gibt es keinen Grund zum permanenten Aufstehen und Hinsetzen.
Kann man weder Aussitzen noch taktgerecht Leichttraben, stimmt mit der Bewegung etwas nicht und sie muss angepasst werden. Hier gilt das Prinzip von der Kette und ihrem schwächsten Glied. Ist die Vorhand zu schwach, darf sie nicht vom Schub der Hinterbeine oder eine zu große Trittlänge überfordert werden. Alle Teile des Körpers müssen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht werden, damit sie harmonisch zusammenarbeiten können. Nur so kann ein Rhythmus entstehen und das Gefühl, auf EINEM Pferd zu sitzen, nicht auf zwei oder drei. Letztlich muss natürlich auch der Reiter gegebenenfalls als schwächstes Glied der Kette berücksichtigt werden, damit es dann sogar zur Einheit von Pferd und Mensch kommen kann.
In diesem Text (und in meinen anderen Texten) wurde im Sinne der Lesefreundlichkeit nur die männliche Form des Begriffs "Reiter"verwendet, es sind damit auch Reiterinnen gemeint.
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