Hufe - ein emotional behandeltes Thema

Die Hufe sind kein nebensächliches Anhängsel am Pferd sondern sein Fundament. Ich weiß, solche Sätze sind recht ausgelatscht, aber dadurch werden sie nicht weniger wahr. Deshalb ist JETZT der richtige Zeitpunkt, sich das als Pferdebesitzer oder Reiter nochmal bewusst vor Augen zu führen.

Der Beruf des Hufschmiedes oder Hufbearbeiters (oder -innen) gehört neben jenen, die mit der Erziehung unserer Kinder  und der Pflege der Alten und Kranken betraut sind,  zu den stiefmütterlichst behandeltsten, in ihrer Wichtigkeit unterschätzten  Jobs. Und damit zu entweder unterbezahlten oder unterqualifizierten Berufsständen.  Die Biomechanik des Hufes zu verstehen, um in sie eingreifen zu können, ohne Schaden anzurichten, ist eine Wissenschaft, die intellektuell eigentlich auf  Hochschulniveau anzusiedeln wäre. Die verschiedenen Dimensionen, in denen sich ein Huf verformen kann, zu überschauen erfordern räumliches Vorstellungsvermögen und abstrahierendes Denken, Wissen in den Bereichen, Physik, Physiologie, Biomechanik, Sensomotorik, Ethologie. Es ist mehr als nur Nägelschneiden oder einen Metallschutz drunternageln. Wer Hufe bearbeitet, gibt dem Pferd vor, wie es zu stehen hat und das muss sich auf das Gleichgewicht des ganzen Körpers auswirken. Man stelle sich einen langen stehenden Stab vor und lege unter seine eine Hälfte nur ein wenige Millimeter dickes Stück Pappe. Je weiter oben, desto größer ist die Abweichung von der Senkrechten.  Und so einfach ist das beim Pferd nicht zu sehen. Pferde drehen ihre Beine ein oder aus, stellen sie vor zurück, zur Seite, knicken in manchen Gelenken ab und letztendlich können die elastischen Strukturen im Hufinneren auch unter massiver Spannung stehen, ohne, dass man äußerlich eine Stellungsabweichung sieht. Das Pferd ist ein Lebewesen und setzt alles daran, Ungleichgewichte zu kompensieren, trotz allem weiter geradeaus zu laufen.  So lange bis es nicht mehr geht und Lahmheit auftritt. Dann ist natürlich schwer zuzuordnen, wo die Ursachen liegen. Denn die sind wahrscheinlich nicht erst gestern wirksam geworden.

So oft habe ich schon den Satz gehört "Mit meinem Schmied war ich eigentlich immer sehr zufrieden", aus dem Mund von Besitzern, deren Pferde seit Monaten lahm gingen oder stolperten. Offensichtlich wird hier kein Zusammenhang hergestellt. Was sind denn dann die Kriterien zur "Zufriedenheit"? Anscheinend nicht die Frage, ob das Pferd laufen kann. 

Wenn ich bedenke, wieviele Tausende Euros die Besitzer lahmender Pferde in Tierarztkosten investieren, im Vergleich zu dem was ein Hufschmied oder eine Hufpflegerin erhalten, erscheint mir das völlig absurd, denn meiner Einschätzung nach  haben letztere im Allgemeinen einen viel viel viel größeren Einfluss darauf, ob das Pferd laufen kann oder nicht. Fehler, die wegen einer offenbar mangelhaften Berufsausbildung hierbei viel zu häufig passieren wirken sich massiv aus, zumal sie alle fünf bis acht Wochen wiederholt werden bzw in langfristiger Unterlassung notwendiger Korrekturen bestehen. Genau genommen passieren die Fehler, so glaube ich, nicht wegen mangelndem Wissen, sondern wegen einem gefährlichen Halbwissen. Überschätzung der eigenen Kompetenz in so etwas Komplexes wie einen Wirbeltierkörper eingreifen zu dürfen. "Orthopädische Beschläge" sind in der Geschichte des Hufbeschlags etwas sehr Neues, liest man Fachliteratur aus Zeiten, wo die Menschen noch existentiell von der Einsatzbereitschaft des Pferdes abhängig waren, wird klar, dass das Ziel des Eisens immer genau das war: das Pferd nutzbar zu machen. Nicht Lahmheiten zu heilen. Die ungesunden Nebenwirkungen des Eisens wurden wohlwissend, als kleineres Übel in Kauf genommen. Das Eisen ist nicht mehr als ein Schutz vor Abrieb und dem Druck von Steinen. Ganz sicher kann es nicht dazu dienen, einen unphysiologischen Bewegungsablauf hin zu einem gesunden zu beeinflussen. Es kann nur Symptome verschieben, den Tastsinn und Schmerzen unterdrücken, es beraubt den Huf aber einem guten Teil seiner naturgegebenen Funktionen.  Ähnlich modern ist die Idee, eine bestimmte Vorstellung von einer perfekten Hufform an ein nicht perfektes Pferd schneiden zu wollen. Oder völlig übertrieben ein bestimmtes Phänomen , wie etwa eine lange Zehe vermeiden zu wollen und ins andere Extrem zu gehen, etwa die Zehe von außen  zu kappen. Hier sind meines Erachtens einige Handwerker zu übereifrig und wenden Maßnahmen an, die nicht zu Ende gedacht sind. 

Es gibt so viele Pferde  die heute schmerzfrei barhuf gehen, von denen jahrelang  behauptet wurde, das würde nicht gehen und wo man teilweise in die abenteurlichsten Konstruktionen viel Aufwand und Geld investiert hat. Anstatt der Natur die Selbstheilung zu überlassen, ihr nur zu helfen, indem man Material wegnimmt, welches in feier Wildbahn durch Abrieb oder Ausbrechen entfernt werden würde. Einen Hornspalt mit Metallstreifen zusammennieten zu wollen, ist einfach lächerlich. Wisst ihr, was für Kräfte da wirken, wenn ein Huf sich innen und außen so unterschiedlich verformt, dass er reißt? Er muss ins Gleichgewicht, sonst nichts. Und es muss auch nicht der Abrollpunkt künstlich nach hinten versetzt werden, der Huf auf Kufen gestellt oder mit seitlichen Hebeln oder Keilen versehen werden. Auch muss ein Zwanghuf nicht mit einem abgeschrägten Eisen auseinandergedrückt werden, sondern aufgehört werden, ihn überhaupt zusammenzudrücken.  Also wird der Beruf des Schmiedes vielleicht doch nicht unter- sondern überschätzt.... Es wird teilweise zu viel, teilweise zu wenig eingegriffen. Es herrscht einfach eine große Unwissenheit und dann, je nach Persönlichkeitstyp entweder zu viel Manipulation oder falsche Zurückhaltung. Es gibt Schmiede und Hufbearbeiter, die sehr gute Ergebnisse erzielen. So jemanden zu finden, scheint wirklich Glücksache zu sein. 

Wie konnte es dazu kommen, dass dieses Thema so überstrapaziert wird? Dass ich hier so viel dazu schreibe. Dass die Hufschmiedelobby und die Anhänger der verschiedenen Barhufbearbeiterschulen, letztere auch untereinander, so miteinander auf Kriegsfuß stehen? Dass kaum jemand von denen zu einer Diskussion bereit ist.  Dass man beim Vorschlag einem Pferd die Eisen abzunehmen oder die Bearbeitung in gewisser Weise zu ändern, sofort in eine bestimmte, Pferdequäler-Schublade gesteckt wird. 

Das frage ich mich. Denn heutzutage ist das Pferd doch gar nicht mehr existentiell. Es ist doch nur noch  Hobby. Wäre doch kein Drama, wenn es mal eine zeitlang pausieren müsste. Leider benehmen sich aber einige Pferdebesitzer genau so. Als wollte man ihnen etwas Lebensnotwendiges wegnehmen, wenn es darum geht, dass ein Pferd eine gewisse Reha-Phase braucht. Die eigentlich zum Ziel hat , dass das Pferd am Ende länger gesund bleibt. Aber es werden verschiedene Gründe angeführt, warum das Pferd unbedingt weiter geritten werden muss. Warum Hufschuhe keine Alternative sind. Und und und. Ich denke, es ist die Angst, etwas zu verlieren. Den einzigen Ruhepol, den manche Menschen im Leben haben. Den sie in ihrem Hobby, dem Reiten, finden. Diese Angst der Menschen bedient die Hufschmiedezunft , macht fußkranke Pferde kurzfristig nutzbar. und schnitzt gerade Hufe an krumme Beine.  Und auch Barhufbearbeiter haben ihre Niesche gefunden, für die Alternativen, die Gesundheitsbewussten, und viele von ihnen denken auch schon wirklich ganzheitlich, betrachten die Biomechanik als Ganzes. Aber nach den Erfahrungsberichten, die man so hört, scheint es auch hier Glücksache zu sein, ob das Fundament des Pferdes wirklich in guten Händen ist.  Natürlich gibt es für dieses Problem keine einfache Lösung, denn könnte man die Arbeit beurteilen, dann könnte man es ja gleich selbst machen. Mir ist nur wichtig darauf hinzuweisen, bei langfristig lahmenden, stolpernden oder bewegungsunwilligen Pferden unbedingt einen ganz kritischen Blick auf die Hufbearbeitung zu werfen und sich hierzu so viele Meinungen wie möglich einzuholen. Die Meinung des Tierarztes reicht hierzu nicht. Das veterinärmedizinische Studium beinhaltet das Thema Hufbearbeitung ganz offensichtlich nur  rudimentär. 

Es ist einfach naiv zu glauben, man könne sich auf jemanden verlassen, nur weil er eine staatlich anerkannte Ausbildung nachzuweisen hat. Das ist kein Garant für Kompetenz, man muss selbst wachsam bleiben und Verantwortung übernehmen.

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