Haltungsschäden beim Pferd

Soweit meine Zeichenkünste es hergeben, soll dieses ein Pferd darstellen, das sich in seinem tensegralen Gleichgewicht befindet. Die Faszienketten arbeiten in ihrem natürlichen Zusammenspiel jeweils mit der passenden Kraft und in der richtigen Länge.  Unten habe ich drei  Beispiele von Haltungsschäden aufgeführt, die in der Praxis in noch vielfältigeren Variationen vorkommen.  Die Ursachen für solche ungünstigen Körperhaltungen sind oft die selben: Bewegungsmangel und daraus resultierend schlicht ein Mangel an Muskelkraft,  unpassende Sättel, schlechte Reitweise, aber auch Lungenprobleme, Bauchschmerzen, Schmerzen im Bewegungsapparat. Die häufigste Ursache aller Haltungsschäden sind Schmerzen im Bereich der Vorderfüße. Diese sind das Körperteil, das beim Pferd statistisch am häufigsten beschädigt ist und/oder schmerzt. Die Körperhaltung dient immer dazu, den Körper mit dem geringst möglichen Energie-(also Muskel-) aufwand zu stabilisieren und schmerzhafte Körperteile erschütterungsfrei zu halten. Welche Art von Haltung das Pferd einnimmt, hängt besonders davon ab, welche sich aufgrund der Proportionen seines Skeletts anbietet. Ein Pferd mit einem sehr langen Rücken wird also nicht versuchen, den Rumpf über ein Abkippen des Beckens zu tragen, da das aufgrund der Hebelverhältnisse nicht klappt. Auch Temperament und Rasse spielen eine Rolle. Araber und leicht erregbare Pferde haben einen höheren Extensortonus, sie drücken eher den Rücken durch. Depressive, träge Pferde neigen dazu den Kopf hängen zu lassen .

Alle diese Pferde sind trageerschöpft, d.h. sie sind bereits mit ihrem eigenen Gewicht überfordert, geschweige denn mit dem eines Reiters. Es gilt, Ursachen für diese Fehlhaltungen zu finden und abzustellen und dann angepasst zu trainieren. Die Trainingsprogramme dieser drei Pferde sähen recht unterschiedlich aus. Und eigentlich geht es hier nicht darum, für jede Fehlhaltung ein Trainingskonzept zu haben. Der Fokus muss auf die Bewegungen gelegt werden, die das Pferd bisher vermieden hat. Diese Bewegungen müssen, in für das Pferd zumutbarem Maße, gefördert und belohnt werden. 

Dies ist keine Anleitung zur Selbsthilfe, bitte tut aufgrund dieses Artikels nichts, was gegen euer Bauchgefühl geht. 

Dieser Text erhebt auch keinen wissenschaftlichen Anspruch, er basiert vollständig auf meinen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen.

 

Dieses Pferd versucht sich zu stabilisieren, indem es die Streckerkette, also seine Oberlinie auf Zugspannung bringt. Es benutzt seinen Hals als langen Hebel und seinen Kopf als Gewicht. Der Hals ist gerade ausgestreckt und kann auch seitlich nicht mehr ohne ein deutliches Verwerfen im Genick gebogen werden. Der Widerrist steht heraus wie der Höcker eines Kamels und die Dornfortsätze, die auseinandergefächert und wie nach vorne gezogen wirken, sind deutlich sichtbar. Die Muskulatur an Oberhals, Rücken und Kruppe bildet sich zurück. Der M. rhomboideus, ein Muskel der am Schulterblatt entspringt und am Nackenband unter dem Mähnenkamm ansetzt, bildet einen harten Strang. Er zieht das Schulterblatt in eine steile Position. Die Vorhand steht oft rückständig mit einer meist steilen Fesselwinkelung, aber zu flachem Hufwinkel. Auch die Winkel der Hinterhufe sind zu flach, die Hinterbeine stehen untergeschoben. Meist, aber nicht immer, wirkt das ganze Pferd  eckig. Es verlagert massiv Gewicht auf die Vorderbeine, allerdings federn diese das Gewicht nicht mehr ab, sondern lassen das Körpergewicht in der Vorwärtsbewegung "drüberrollen". Die Hinterbeine sind passiv und drehen häufig die Sprunggelenkshöcker nach außen oder drehen mit dem Huf beim Abfußen. Dieses Drehen kann die Ursache für Spat sein; stark überlastet wird auch die Rückseite der Vordergliedmaßen, also Beugesehnen und Hufrolle. Wird das Pferd geritten, sind Rückenschmerzen vorprogrammiert, denn die langgezogene Rückenmuskulatur kann Stöße, die senkrecht von oben kommen, nicht abfedern. Das Pferd muss lernen, seinen Hals anzuheben und die Rückenlinie soweit zu verkürzen, dass die Muskulatur wieder aktiv arbeiten kann. Die Halswirbelsäule muss mobilisiert werden, ganz wichtig dafür ist eine Lockerung von Zunge und Kiefergelenk. Auf Schmerzfreiheit der Hufe ist besonders zu achten, das gilt aber eigentlich immer. In schweren Fällen wird zunächst viel Schrittarbeit angezeigt sein, die Rückenmuskulatur wird bei jedem Trabtritt gezerrt und das Pferd kann Erschütterungen nicht auffangen.

Dieses Pferd hat eine aufgewölbte Lendenwirbelsäule und ein abgekipptes Becken. Es wirkt kurz. Der Schweif wird nicht getragen und manchmal auffallend wenig benutzt. Das Pferd benutzt zum Fliegen verscheuchen am Rumpf öfter den Kopf.  Knie und Sprunggelenk stehen sehr steil, auch wenn das Knie durch die massig ausgeprägte Hosenmuskulatur optisch einen gebeugten Eindruck macht. Diese Pferde sind insgesamt oft recht fleischig und rund. Die Vorhand täuscht eine falsche Leichtigkeit vor und der Hals einen hohen Ansatz. Die Fesselung ist hinten oft weicher als vorne als Ausdruck der überlasteten Hinterhand. Da die Verkrampfung der inneren Lendenmuskulatur kaum Bewegung im Becken zulässt, können die Hinterbeine nicht achsengerecht fußen. Sie sind meist kuhessig und hufen außen am Körper vorbei. Die Hinterhufe können dabei extrem schief werden. Nicht nur das Becken ist unbeweglich, die Seitbiegung der Wirbelsäule ist eingeschränkt. Manchmal stehen die Rippen dabei stark ab. Die Wirbelsäule rotiert mehr, als dass sie sich biegt, was einen falschen Eindruck von Beweglichkeit vermitteln kann. Die Kruppenmuskulatur ist stark ausgeprägt, da das Pferd sich mit den Hinterbeinen nach vorne zieht oder stemmt und diese viel Last haben. Auf der Lende finden sich häufig rechts und links zwei hypertrophierte Stränge oder Beulen in der Muskulatur, besonders wenn ein im hinteren Bereich drückender Sattel die Ursache für die Immobilisierung in dieser Gegend ist.  Besonders gefährdet für Verschleißerscheinungen sind die Hinterbeine, z:B. für Fesselträgerschäden oder Spat und Probleme mit den Kniebändern und -scheiben wegen der steilen Kniewinkelung und der zu unbewegliche Rücken, wenn das Pferd geritten wird. 

Die Seitbiegung der Wirbelsäule muss wiederhergestellt werden , sowie der Schub aus der Hinterhand,  der ein achsengerechtes Fußen und Beckenbeteiligung erfordert. Die Unterseite der Wirbelsäule muss dafür gedehnt werden. Es gibt verschiedene Varianten dieses Typs, mal ist eine höhere, mal zunächst eine tiefere Halshaltung hilfreich. 

Strecker- und Beugerkette arbeiten idealerweise in einem Gleichgewicht zueinander. In diesem Fall wurde die Streckmuskulatur übermäßig trainiert und die Beugerseite hat aufgegeben. Der Bauch wird langgezogen und hängt passiv durch. Ebenso geschwächt sind die Beugemuskeln der Gliedmaßen. Dies führt zu einer flachen Winkelung der Hufe, zu wenig Sohlengewölbe und Fühligkeit.  Manche Pferde stellen sich sägebockartig hin, die Vorhand kann aber auch im Stand rückständig sein und die Hinterhand vorständig. Dann wird der Schwerpunkt über die Sitzbeinhöcker nach hinten herausgeschoben und der Hals tief gehalten. In der Bewegung ist die Unterstützungsfläche aber eher verlängert, der Hals wird hoch getragen. Beim Reiten gibt das Pferd im Genick zu leicht nach und drückt den Unterhals heraus.   Es sind eher lange Pferde betroffen, die leicht hektisch werden. Diese Pferde sind anfällig für Kissing Spines, wobei das Berühren der Dornfortsätze vermutlich weniger das Problem ist als eine Zerrung der Bandansätze im ventralen (bauchseitigen) Bereich der Wirbelsäule. Ein Reitergewicht kann nicht abgefedert werden, da das Nach-oben-Zurückfedern der Wirbelsäule nicht stattfindet. Die Strecker verkrampfen sich immer mehr, eine Seitbiegung ist so nicht möglich. das Pferd versucht sich mit Nacken- und Unterhalsmuskulatur zu stabilisieren, während die dazwischen, mittig am Hals liegenden Muskeln verkümmern.

Das Pferd ist nicht wirklich reitbar und wird sich wahrscheinlich auch dagegen wehren oder Rückenschmerzen haben.

Man kann durch Kiefer- und Zungenmobilisation die Nackenmuskulatur hemmen, aber das macht das Pferd auch nicht stabiler.  Die Beuger müssen trainiert werden. Damit ist gar nicht so sehr der Bauch gemeint, sondern, die in der Tiefe liegenden wirbelnahen Muskeln, die der Wirbelsäule eine federnde Stabilität geben.  Und die Kraft aus den Gliedmaßem. Der Rücken darf nicht gegen den Schub der Gliedmaßen anstehen, indem er so fest ist, dass er sich nicht durch ihre Dynamik biegen und Anheben lässt. Korrekte Längsbiegung, Seitengänge, Galopp, Stangenarbeit und Gymnastiksprünge können, richtig dosiert, die Situation verbessern.  


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